Württemberg

Württemberg
Wụ̈rt|tem|berg; -s:
östlicher Landesteil von Baden-Württemberg.

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Wụ̈rttemberg,
 
historisches Land in Südwestdeutschland, Hauptstadt (seit 1482) war Stuttgart; heute der östliche Teil von Baden-Württemberg. - Das Land entstand aus den Besitzungen der 1081 mit Konrad von Wirtemberg erstmals bezeugten Herren, seit 1137 Grafen im mittleren Neckar- und im Remstal, die ab dem staufisch-welfischen Thronstreit (nach 1198) beträchtliche Teile der staufischen Gebiete erwerben konnten. Besonders Graf Ulrich I. (✝ 1265), der Stammvater der Dynastie, förderte durch Übertritt auf die antistaufische Seite (1246) den Aufstieg des Hauses, das in der Folge rasch in Konflikt mit den Habsburgern geriet. Im Spätmittelalter bauten die Grafen ihre Stellung zur stärksten Territorialmacht in Südwestdeutschland zwischen dem habsburgischen Vorderösterreich und der Pfalz in Kriegen gegen Ritterschaft und Reichsstädte aus. Als wirtschaftlich wichtigen Außenposten erwarben sie u. a. 1397 die Grafschaft Mömpelgard (Montbéliard); doch die Teilung von 1442 in zwei Linien mit den Residenzen Stuttgart (seit 1371 Sitz des Hofes) und Urach brachte den Verlust politischen Einflusses. Eberhard V. (I.), im Bart (1459-96), stellte durch den Münsinger Vertrag von 1482 im Zusammenwirken mit den seit 1457 nachweisbaren Landständen die Einheit wieder her und erreichte 1495 vom Kaiser die Erhebung Württembergs zum einheitlichen Reichslehen, dem Herzogtum Württemberg (und Teck). Nach Eberhards Tod (1496) erlangte der Landtag wachsenden Einfluss und ließ sich im Tübinger Vertrag (1514) maßgebliche Mitbestimmungsrechte von Herzog Ulrich (1498/1503-50) verbriefen. 1520-34 war Württemberg in habsburgischer Hand. Dann kehrte der 1519-34 vertriebene Herzog zurück, doch war Württemberg bis 1599 österreichisches Afterlehen, dann wieder Reichslehen. Die Reformation wurde eingeführt (Klosterordnung 1535 mit Aufhebung der Klöster und Stifte und Einziehung ihres Besitzes; 1536 Kirchenordnung). Seit Herzog Christoph (1550-68) bestand der Landtag nur noch aus bürgerlichen Vertretern (Oberschicht, »Ehrbarkeit« genannt). Im Dreißigjährigen Krieg (1618-48) litt Württemberg unter Kriegseinwirkungen, die u. a. durch eine zielstrebige Reformpolitik (1649 Volksschulpflicht) überwunden wurden. Die französischen Expansionen unter König Ludwig XIV. (v. a. 1688-92) brachten neue schwere Zerstörungen. Vom Beginn des 18. Jahrhunderts an gelang den Herzögen eine weitgehende Entmachtung, jedoch nie die völlige Ausschaltung des Landtags, der durch permanente Ausschüsse seine Befugnis wahrte. Herzog Karl Alexander (1733-37) versuchte, auch mit Hilfe seines Ratgebers J. Süß-Oppenheimer, gegen die Stände merkantilistischer Neuerungen einzuführen; der ebenfalls absolutistisch regierende Herzog Karl Eugen (1737-93) musste dagegen im Erbvergleich von 1770 ständische Rechte anerkennen.
 
Der auf die Französische Revolution folgende Umbruch der napoleonischen Zeit brachte ein spätabsolutistisch-bürokratisches Herrschaftssystem unter Herzog Friedrich II. (1797-1803/16) die Mitgliedschaft im Rheinbund (1806-13), die Erhebung zum Kurfürstentum (1803) und souveränen Königreich (Frieden von Preßburg, 1805; als König Friedrich I.). Durch umfangreiche Gebietsgewinne (v. a. Heilbronn, Hohenloher Ebene, Ellwangen, Ulm, Rottweil sowie Teile Oberschwabens und des Allgäus) gelang ihm die Vergrößerung von 650 000 auf 1 340 000 Einwohner; 1815 trat er dem Deutschen Bund bei. Sein Versuch, dem Land eine moderne Verfassung zu geben, scheiterte am Widerstand der Stände Altwürttembergs. Sein Sohn, König Wilhelm I. (1816-64), betrieb soziale Reformen; mit dem nun großenteils bürgerlich-liberalen Landtag wurde 1819 eine Verfassung vereinbart. Seit 1834 gehörte Württemberg zum Deutschen Zollverein. Das Zeitalter des Vormärz, in dem Württemberg den Beginn der Industrialisierung erlebte, mündete in die Märzrevolution von 1848, nach deren Unterdrückung (1849) die königliche Regierung zum System der Reaktion zurückkehrte. Gegen Preußen lehnte sich Württemberg meist an Österreich an, trat aber 1871 in das Deutsche Reich ein. Während der Amtszeit des Ministerpräsidenten H. von Mittnacht (1870-1900) gelangte Württemberg zu innenpolitische Stabilität. Die beiden letzten Jahrzehnte waren jedoch durch sich verschärfende Auseinandersetzungen aufgrund des Anwachsens neuer Parteien (Zentrum und Sozialdemokratie) und wegen der Wahlrechtsfrage (1906 Landtags- und Wahlrechtsreform) gekennzeichnet.
 
Auf König Karl I. (1864-91) folgte 1891 sein Neffe als Wilhelm II. Mit der Novemberrevolution rief die (vorläufige) Regierung unter Wilhelm Blos (SPD; * 1849, ✝ 1927) am 10. 11. 1918 die Republik aus (»Freistaat Württemberg«). Am 30. 11. 1918 verzichtete Wilhelm II. auf den Thron. Am 25. 9. 1919 nahm der Landtag (gewählt am 12. 1. 1919) die neue Verfassung an: Württemberg war nunmehr eine parlamentarische Republik mit einem Einkammersystem; die Landesregierung unter Führung eines Staatspräsidenten war dem Landtag verantwortlich. Staatspräsidenten waren: 1919-20 Blos, 1920-24 Johannes von Hieber (DDP; * 1862, ✝ 1951), 1924-28 Wilhelm Bazille (DNVP; * 1874, ✝ 1934), 1928-32 (geschäftsführend bis März 1933) Eugen Bolz (Zentrum; * 1881, ✝ 1945, als Widerstandskämpfer hingerichtet). In den 1920er-Jahren entwickelte sich Württemberg zu einem führenden Land der verarbeitenden Industrie (u. a. Kraftfahrzeugbau, Elektrotechnik). Im Zuge der Gleichschaltung der deutschen Länder mit der nationalsozialistischen Diktatur im Reich wurde Wilhelm Murr (NSDAP; * 1888, ✝ 1945) nach Absetzung der Regierung Bolz durch den Reichsinnenminister im März 1933 Staatspräsident, nach Abschaffung dieses Amtes im April 1933 Reichsstatthalter. Nach der Besetzung Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkrieges durch alliierte Truppen wurde Württemberg in die Länder Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern geteilt. Aufgrund einer Volksabstimmung schlossen sich beide Länder 1952 als Baden-Württemberg zusammen.
 
 
A. Dehlinger: W.s Staatswesen in seiner geschichtl. Entwicklung bis heute, 2 Bde. (1951-53);
 Ernst Müller: Kleine Gesch. W.s (1963);
 Max Miller u. P. Sauer: Die württemberg. Gesch. von der Reichsgründung bis heute (1971);
 E. Marquardt: Gesch. W.s (31985);
 J. A. Vann: W. auf dem Weg zum modernen Staat 1593-1793 (a. d. Amerikan., 1986);
 O. Borst: W. u. seine Herren. Landesgesch. in Lebensbildern (1988);
 K. A. Weller: Württemberg. Gesch. im südwestdt. Raum (101989);
 
Ein Jh. beginnt. Baden u. W. 1900 bis 1914, hg. v. O. Borst u. a. (1996);
 H. Pfefferle: Polit. Identitätsbildung in W.-Hohenzollern. 1945-1952. Die Renaissance oberschwäb. Regionalbewußtseins (1997).
 

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Wụ̈rt|tem|berg; -s: östlicher Landesteil von Baden-Württemberg.

Universal-Lexikon. 2012.

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